Arbeiter-Samariter-Bund Landesverband Sachsen e. V.
21. März 2013
Pflegeheime werden überwacht wie Strafkolonien
Nur Bürokratieabbau, mehr Flexibilität und gute Bezahlung helfen gegen drohenden Pflegenotstand
Dass die Gesellschaft immer älter wird und damit immer mehr Menschen, auch in Sachsen, pflegebedürftig werden, ist nichts Neues. Gleichzeitig genießen Pflegeberufe leider kein besonders hohes Ansehen, und die staatlichen Kontrollen der Branche nehmen inzwischen ungeahnte Ausmaße an. Die überbordende Bürokratie verschlingt mittlerweile Unsummen. Ebenso hindern starre Qualifikationsregeln einen flexiblen Einsatz von Pflegepersonal und Hilfskräften. Auch Bezahlung und Arbeitsbedingungen sind stark verbesserungswürdig.
Der Arbeiter-Samariter-Bund Landesverband Sachen e. V. (ASB Sachsen), dessen Orts- und Kreisverbände zahlreiche Pflegeheime betreiben, fordert daher von Sachsens Politik mehr Engagement beim Bürokratieabbau in der Pflege, mehr Freiräume beim Personaleinsatz sowie mehr Geld aus den Sozialkassen für die Bezahlung der Pflegekräfte. „Sachsen ist eben nicht nur das Land der Ingenieure und Techniker, die Landesregierung sollte sich endlich auch für die Sozialberufe engagieren“, fordert Uwe Fichtmüller, Landesgeschäftsführer des ASB Sachsen.
Der ASB Sachsen betreut in seinen Pflegeheimen (vollstationäre Pflege) etwa 2.200 pflegebedürftige Menschen, hinzu kommen Pflegebedürftige in der teilstationären und in der ambulanten Pflege. Insgesamt beschäftigt der ASB Sachsen dafür etwa 3.000 Pflegekräfte. „Unsere Pflegeeinrichtungen werden mittlerweile allerdings überwacht, als wären sie australische Strafkolonien im 18. Jahrhundert“, empört sich Fichtmüller. „Immer mehr hochqualifiziertes Fachpersonal wird aus der Pflege abgezogen, um in der Kontrolle der Einrichtungen zu arbeiten, wofür es sogar noch besser bezahlt wird. Seit Jahren steigen die Ausgaben der Pflegekassen für Verwaltung und Prüfung der Pflegeeinrichtungen ständig an. Eine absurde Entwicklung. Hinzu kommt, dass unsere Pflegekräfte immer mehr Zeit in die schriftliche Dokumentation ihrer Arbeit investieren müssen, Zeit, die dann für die Pflegebedürftigen fehlt.“
Ein weiteres Ärgernis ist die Fachkraftquote in der Pflege. Die starren Regeln verhindern, dass für weniger qualifizierte Tätigkeiten in der Pflege, wie die Grundpflege, Pflegehilfspersonal eingesetzt werden kann. „Der vorgegebene und finanzierte Personalschlüssel macht es uns darüber hinaus sehr schwer, zusätzliches Betreuungspersonal etwa für Gespräche oder Spaziergänge einzusetzen. Dennoch tun wir es und unsere Heimbewohner danken es uns“, so der ASB-Landesgeschäftsführer. „Warum aber auch noch jedes Bundesland eigene Personalschlüssel, Fachkraftquoten und Leistungskataloge festlegen kann anstatt einer bundeseinheitlichen Regelung, ist mir völlig unverständlich.“
Bleibt noch die chronische Unterfinanzierung der Pflege, einer der wichtigsten Missstände. „Wenn wir unsere Pflegekräfte halten und neue hinzugewinnen wollen, müssen wir für eine attraktive adäquate Bezahlung sowie ordentliche Arbeitsbedingungen sorgen“, so Fichtmüller. „Wir beim ASB engagieren uns auf diesem Feld, stoßen aber stets an die Grenzen des Systems.“ Eine bessere Bezahlung der Pflegerinnen und Pfleger kann aber nur über höhere Pflegesätze und eine Erhöhung des Pflegeversicherungsbeitrages gegenfinanziert werden. Der Weg dahin ist kompliziert und viele haben dabei mitzureden. So achtet etwa der Kommunale Sozialverband Sachsen sehr darauf, dass die Erhöhung der Pflegesätze nicht dazu führt, dass mehr Heimbewohner zu Sozialhilfeempfängern werden. Schließlich müssen für deren Unterstützung zuallererst die Kommunen aufkommen. „Eine finanzielle Besserstellung der Pflegefachkräfte führt aber unweigerlich zu höheren Sozialausgaben. Wird etwa ein höherer Pflegeversicherungsbeitrag von der Politik nicht akzeptiert, geraten wir sehenden Auges in einen bisher nie dagewesenen Pflegenotstand. Ob sich ein reiches Land wie Deutschland eine solche Entsolidarisierung leisten kann, muss ganz klar mit Nein beantwortet werden. An dieser Stelle ist auch die Landesregierung gefragt“, stellt Fichtmüller abschließend klar.